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Klage der Ceres
(1815)
German source:
Friedrich von Schiller
Ist der holde Lenz erschienen?
Hat die Erde sich verjüngt?
Die besonnten Hügel grünen,
Und des Eises Rinde springt.
Aus der Ströme blauem Spiegel
Lacht der unbewölkte Zeus,
Milder wehen Zephyrs Flügel,
Augen treibt das junge Reis.
In dem Hain erwachen Lieder.
Und die Oreade spricht:
Deine Blumen kehren wieder,
Deine Tochter kehret nicht.
Ach, wie lang’ ist’s, dass ich walle
Suchend durch der Erde Flur!
Titan, deiner Strahlen alle
Sandt’ ich nach der teuren Spur;
Keiner hat mir noch verkündet
Von dem lieben Angesicht,
Und der Tag, der alles findet,
Die Verlorne fand er nicht,
Hast du, Zeus, sie mir entrissen?
Hat, von ihrem Reiz gerührt,
Zu des Orkus schwarzen Flüssen
Pluto sie hinabgeführt?
Wer wird nach dem düstern Strande
Meines Grames Bote sein?
Ewig stösst der Kahn vom Lande,
Doch nur Schatten nimmt er ein.
Jedem sel’gen Aug’ verschlossen
Bleibt das nächtliche Gefild,
Und so lang der Styx geflossen,
Trug er kein lebendig Bild.
Nieder führen tausend Steige,
Keiner führt zum Tag zurück,
Ihre Tränen bringt kein Zeuge
Vor der bangen Mutter Blick.
Mütter, die aus Pyrrhas Stamme
Sterbliche geboren sind,
Dürfen durch des Grabes Flamme
Folgen dem geliebten Kind;
Nur was Jovis Haus bewohnet,
Nahet nicht dem dunkeln Strand,
Nur die Seligen verschonet,
Parzen, eure strenge Hand.
Stürzt mich in die Nacht der Nächte
Aus des Himmels goldnem Saal!
Ehret nicht der Göttin Rechte.
Ach! sie sind der Mutter Qual!
Wo sie mit dem finstern Gatten
Freudlos thronet, stieg’ ich hin,
Und träte mit den leisen Schatten
Leise vor die Herrscherin.
Ach, ihr Auge, feucht von Zähren,
Sucht umsonst das goldne Licht,
Irret nach entfernten Sphären,
Auf die Mutter fällt es nicht –
Bis die Freude sie entdecket,
Bis sich Brust mit Brust vereint,
Und, zum Mitgefühl erwecket,
Selbst der rauhe Orkus weint.
Eitler Wunsch! Verlorne Klagen!
Ruhig in dem gleichen Gleis
Rollt des Tages sichrer Wagen,
Ewig steht der Schluss des Zeus.
Weg von jenen Finsternissen
Wandt’ er sein beglücktes Haupt;
Einmal in die Nacht gerissen,
Bleibt sie ewig mir geraubt,
Bis des dunkeln Stromes Welle
Von Aurorens Farben glüht,
Iris mitten durch die Hölle
Ihren schönen Bogen zieht.
Ist mir nichts von ihr geblieben?
Nicht ein süss erinnernd Pfand,
Dass die Fernen sich noch lieben,
Keine Spur der teuren Hand?
Knüpfet sich kein Liebesknoten
Zwischen Kind und Mutter an?
Zwischen Lebenden und Toten
Ist kein Bündnis aufgetan?
Nein, nicht ganz ist sie entflohen!
Wir sind nicht ganz getrennt!
Haben uns die ewig Hohen
Eine Sprache doch vergönnt!
Wenn des Frühlings Kinder sterben,
Wenn von Nordes kaltem Hauch
Blatt und Blume sich entfärben,
Traurig steht der nackte Strauch,
Nehm ich mir das höchste Leben
Aus Vertumnus’ reichem Horn,
Opfernd es dem Styx zu geben,
Mir des Samens goldnes Korn.
Trauernd senk’ ich’s in die Erde,
Leg’ es an des Kindes Herz,
Dass es eine Sprache werde
Meiner Liebe, meinem Schmerz.
Führt der gleiche Tanz der Horen
Freudig nun den Lenz zurück,
Wird das Tote neu geboren
Von der Sonne Lebensblick;
Keime, die dem Auge starben
In der Erde kaltem Schoss,
In das heitre Reich der Farben
Ringen sie sich freudig los.
Wenn der Stamm zum Himmel eilet,
Sucht die Wurzel scheu die Nacht,
Gleich in ihre Pflege teilet
Sich des Styx, des Äthers Macht.
Halb berühren sie der Toten,
Halb der Lebenden Gebiet –
Ach, sie sind mir teure Boten,
Süsse Stimmen vom Cocyt!
Hält er gleich sie selbst verschlossen
In dem schauervollen Schlund,
Aus des Frühlings jungen Sprossen
Redet mir der holde Mund;
Dass auch fern vom goldnen Tage,
Wo die Schatten traurig ziehen,
Liebend noch der Busen schlage,
Zärtlich noch die Herzen glühn.
O, so lasst euch froh begrüssen,
Kinder der verjüngten Au,
Euer Kelch soll überfliessen
Von des Nektars reinstem Tau.
Tauchen will ich euch in Strahlen,
Mit der Iris schönstem Licht
Will ich eure Blätter malen
Gleich Aurorens Angesicht.
In des Lenzes heiterm Glanze
Lese jede zarte Brust,
In des Herbstes welkem Kranze
Meinen Schmerz und meine Lust.
Hat die Erde sich verjüngt?
Die besonnten Hügel grünen,
Und des Eises Rinde springt.
Aus der Ströme blauem Spiegel
Lacht der unbewölkte Zeus,
Milder wehen Zephyrs Flügel,
Augen treibt das junge Reis.
In dem Hain erwachen Lieder.
Und die Oreade spricht:
Deine Blumen kehren wieder,
Deine Tochter kehret nicht.
Ach, wie lang’ ist’s, dass ich walle
Suchend durch der Erde Flur!
Titan, deiner Strahlen alle
Sandt’ ich nach der teuren Spur;
Keiner hat mir noch verkündet
Von dem lieben Angesicht,
Und der Tag, der alles findet,
Die Verlorne fand er nicht,
Hast du, Zeus, sie mir entrissen?
Hat, von ihrem Reiz gerührt,
Zu des Orkus schwarzen Flüssen
Pluto sie hinabgeführt?
Wer wird nach dem düstern Strande
Meines Grames Bote sein?
Ewig stösst der Kahn vom Lande,
Doch nur Schatten nimmt er ein.
Jedem sel’gen Aug’ verschlossen
Bleibt das nächtliche Gefild,
Und so lang der Styx geflossen,
Trug er kein lebendig Bild.
Nieder führen tausend Steige,
Keiner führt zum Tag zurück,
Ihre Tränen bringt kein Zeuge
Vor der bangen Mutter Blick.
Mütter, die aus Pyrrhas Stamme
Sterbliche geboren sind,
Dürfen durch des Grabes Flamme
Folgen dem geliebten Kind;
Nur was Jovis Haus bewohnet,
Nahet nicht dem dunkeln Strand,
Nur die Seligen verschonet,
Parzen, eure strenge Hand.
Stürzt mich in die Nacht der Nächte
Aus des Himmels goldnem Saal!
Ehret nicht der Göttin Rechte.
Ach! sie sind der Mutter Qual!
Wo sie mit dem finstern Gatten
Freudlos thronet, stieg’ ich hin,
Und träte mit den leisen Schatten
Leise vor die Herrscherin.
Ach, ihr Auge, feucht von Zähren,
Sucht umsonst das goldne Licht,
Irret nach entfernten Sphären,
Auf die Mutter fällt es nicht –
Bis die Freude sie entdecket,
Bis sich Brust mit Brust vereint,
Und, zum Mitgefühl erwecket,
Selbst der rauhe Orkus weint.
Eitler Wunsch! Verlorne Klagen!
Ruhig in dem gleichen Gleis
Rollt des Tages sichrer Wagen,
Ewig steht der Schluss des Zeus.
Weg von jenen Finsternissen
Wandt’ er sein beglücktes Haupt;
Einmal in die Nacht gerissen,
Bleibt sie ewig mir geraubt,
Bis des dunkeln Stromes Welle
Von Aurorens Farben glüht,
Iris mitten durch die Hölle
Ihren schönen Bogen zieht.
Ist mir nichts von ihr geblieben?
Nicht ein süss erinnernd Pfand,
Dass die Fernen sich noch lieben,
Keine Spur der teuren Hand?
Knüpfet sich kein Liebesknoten
Zwischen Kind und Mutter an?
Zwischen Lebenden und Toten
Ist kein Bündnis aufgetan?
Nein, nicht ganz ist sie entflohen!
Wir sind nicht ganz getrennt!
Haben uns die ewig Hohen
Eine Sprache doch vergönnt!
Wenn des Frühlings Kinder sterben,
Wenn von Nordes kaltem Hauch
Blatt und Blume sich entfärben,
Traurig steht der nackte Strauch,
Nehm ich mir das höchste Leben
Aus Vertumnus’ reichem Horn,
Opfernd es dem Styx zu geben,
Mir des Samens goldnes Korn.
Trauernd senk’ ich’s in die Erde,
Leg’ es an des Kindes Herz,
Dass es eine Sprache werde
Meiner Liebe, meinem Schmerz.
Führt der gleiche Tanz der Horen
Freudig nun den Lenz zurück,
Wird das Tote neu geboren
Von der Sonne Lebensblick;
Keime, die dem Auge starben
In der Erde kaltem Schoss,
In das heitre Reich der Farben
Ringen sie sich freudig los.
Wenn der Stamm zum Himmel eilet,
Sucht die Wurzel scheu die Nacht,
Gleich in ihre Pflege teilet
Sich des Styx, des Äthers Macht.
Halb berühren sie der Toten,
Halb der Lebenden Gebiet –
Ach, sie sind mir teure Boten,
Süsse Stimmen vom Cocyt!
Hält er gleich sie selbst verschlossen
In dem schauervollen Schlund,
Aus des Frühlings jungen Sprossen
Redet mir der holde Mund;
Dass auch fern vom goldnen Tage,
Wo die Schatten traurig ziehen,
Liebend noch der Busen schlage,
Zärtlich noch die Herzen glühn.
O, so lasst euch froh begrüssen,
Kinder der verjüngten Au,
Euer Kelch soll überfliessen
Von des Nektars reinstem Tau.
Tauchen will ich euch in Strahlen,
Mit der Iris schönstem Licht
Will ich eure Blätter malen
Gleich Aurorens Angesicht.
In des Lenzes heiterm Glanze
Lese jede zarte Brust,
In des Herbstes welkem Kranze
Meinen Schmerz und meine Lust.
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